Um es gleich zu Beginn zu sagen: Die zwei Bände „Wotmolowane – Mit Licht gemalt“ zur Fotografiegeschichte der sorbischen Ober- und Niederlausitz sind ein Muss. Wir haben hier ein zukünftiges Standardwerk vor uns, um das niemand, der beruflich mit der Kultur-, Geistes- und Sozialgeschichte der Lausitz und der Sorben befasst ist, herumkommen wird. Wir werden den hier gesammelten Fotografien in künftigen Lehrbüchern und Ausstellungen begegnen. Sie werden zentrale Quellen für das Schreiben und Reden über die Lausitz und den Weg ihrer sorbischen Bevölkerung in die Moderne sein. Sie werden sich aber auch für viele Jahre auf den privaten Geschenktischen in der Lausitz wiederfinden, denn sie sind historische Bilderbücher, wie man sie sich anschaulicher nicht wünschen kann. Es ist Jürgen Matschie nicht genug dafür zu danken, dass er diese Bilder (wieder)entdeckt, zusammengestellt und zugänglich gemacht hat. Diese zwei Bände sind innerhalb seines langjährigen Bemühens um die Fotografiegeschichte der Lausitz ein Höhepunkt.
Auf dem Gelände der Energiefabrik Knappenrode befindet sich eine Gedenkstätte. Sie erinnert an die rund eintausend tödlich verunglückten Bergleute des Reviers. Symbolisch breitet hier eine heilige Barbara schützend ihre Hände aus, ein Nachguss der 1924 von Heinrich Moshage (1896-1968) für das Bergbauhaus in Senftenberg geschaffenen Bronze. Alljährlich am 4. Dezember, dem Namenstag der heiligen Barbara, findet in der Gedenkstätte des Museums eine Andacht statt. „Diese Tradition ist erst nach der Wende mit den Bergleuten aus den Altbundesländern in die Lausitz gekommen“, heißt es. Ist dem so? Die Energiefabrik Knappenrode ist dieser Frage nachgegangen. Die Antwort: Nein. Die Spuren der heiligen Barbara, Nothelferin und Beschützerin in der letzten Stunde, lassen sich auch in der Lausitz bis in das Mittelalter zurückverfolgen.
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Viele Bautzener teilen ihre Erinnerungen mit dem Fotografen Rolf Dvoracek. Wie kaum ein anderer hat er über sechs Jahrzehnte das Leben und die Veränderungen in seiner Heimatstadt dokumentiert. Gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen, das machte wohl auch den großen Erfolg seiner diesjährigen Ausstellung im Museum Bautzen aus, die über mehrere Wochen verlängert werden musste. Und auch das Begleitbuch zur Ausstellung war schnell vergriffen. Dieses Buch mit kleinformatigen Fotos lieferte eigentlich nur die Erläuterungen zu den Fotografien, die großformatig in der Ausstellung zu sehen waren.
Nun finden sich etliche, aber nicht alle Bilder der Ausstellung in einem Bildband wieder. Dort spielen die Fotos erneut die Hauptrolle, die ihnen zukommt. Die sachkundigen, aber kurzgefassten Erläuterungen liefert die bekannte Denkmalpflegerin Christa Kämpfe. „Mein Bautzen“ heißt die Neuerscheinung aus dem Lusatia Verlag.
Was haben Westdeutschlands Bürger in den zurückliegenden 67 Jahren aus Kreisen, die sich mit dem hohen „C“ schmücken, nicht alles erleben und erdulden müssen, wann hat sich die KOMMUNE jemals geschwisterlich ihrer Ursprünge erinnert und ihnen genähert, um einen Bund von Dauer zu wagen?
Die Bibliotheken der Menschheit horten einen riesigen Vorrat an Schriften, der Utopien nährt, menschliches Wissen mit Worten befördert. Allein die POESIE wird zur Herberge einer rational nicht fassbaren Unzerstörbarkeit.
Zu begrüßen ist ein Dichter aus der nächsten Nachbarschaft: Tschechien. Er heißt Milan Hrabal, wurde 1954 in Varnsdorf geboren, einer Grenzstadt im Dreiländereck Deutschland-Tschechien-Polen, wo sich die deutsch-sorbische Oberlausitz mit dem nordtschechischen Böhmen trifft.
„Bringen Sie Ihre eigene Lupe mit!“ Diesem heißen Tipp des Kurators Jürgen Matschie muss man nicht unbedingt Folge leisten, wenn man sich auf Entdeckungstour in die neue Sonderausstellung des Sorbischen Museums Bautzen begibt. „Wotmolowane – Mit Licht gemalt“ ist ihr Titel, und zu entdecken gibt es eine Menge auf den historischen Fotografien aus der sorbischen Lausitz von den Anfängen bis in die 1930er Jahre, wie es im Untertitel exakt heißt. Lupen gehören in diesem Fall zur Ausstattung der Schau selbst, und von ihnen Gebrauch machen muss man nicht, sollte man aber – da ist dem Ausstellungsmacher und Fotografiker zuzustimmen.
Über die DDR-Zeit gibt es in der sorbischen Geschichtsschreibung bis heute große Lücken, besonders zum Thema „Überwachung der Sorben durch den Staatssicherheitsdienst“. Das MfS hatte von Anfang an den Auftrag, den „nationalistischen Umtrieben“ unter den Sorben Beachtung zu schenken und ein Netz von IMs unter den Sorben aufzubauen. Dies hob Dr. habil. Timo Meškank auf der Buchpremiere seines neuen Werkes „Sorben im Blick der Staatssicherheit“ hervor, das vor Kurzem im Domowina-Verlag Bautzen erschien.
Der Leipziger Historiker, Sprachwissenschaftler und Privatdozent Meškank war selbst Mitautor der nicht genehmigten Zeitschrift „Serbski student“ in der Endzeit der DDR. Er stammt aus einer bekannten sorbisch-katholischen Intellektuellenfamilie.
Nach sechsjähriger Fleißarbeit umfangreichen Studiums Zehntausender Aktenseiten der Stasi und weiterer bisher nicht bekannter Unterlagen zur Nationalitätenpolitik der DDR sowie Literatur und Quellen zum Thema legte er jetzt sein neues Buch vor.
Wie so oft ist es mit dem Buchtitel so eine Sache. Dieser – „Windrad auf dem Dach“ – erschließt sich auf Seite 130. Bis dahin kommt man auch ohne die Erklärung aus. Denn es ist absolut vergnüglich, diese Erinnerungen zu lesen. Jurij Koch ist es gegeben, Dinge, Verhältnisse, Menschen liebevoll, mit einem ganz besonderen Taktgefühl zu beschreiben. Er würde nicht sagen: ein Kaff, er sagt: ein Dorf, das immer hundert Menschen hat. Er sagt nicht, sein Lehrer Simon hätte gestottert, er beschreibt ihn als jemand, der „sich unentwegt mit geschlossenen Augen die Silben von der Zunge pressen muss“. Keine Anekdoten mit Grinsepotenzial, lieber schreibt er seinen Lehrern ein Denkmal. Erinnert sich an bewegte Zeiten im ersten sorbischen Gymnasium, im Wohnheim „Zejler“, in seiner ersten Redaktion. Es geht um sein Leben ab den ersten fünfziger Jahren, und es ist ein ungewohnter Blick darauf. Jurij Kochs Sprache macht dieses Schauen zum Staunen. Sowohl für jemand, der die beschriebene Zeit noch kennt, als auch für Leute, denen das alles wie aus Sagen und Märchen vorkommen könnte.
Wild und ungezügelt, direkt und kraftvoll – aber auch rebellisch, drastisch, aggressiv und provokativ wirken seine Bilder auf den Betrachter. Neoexpressionistisch nennen das die Fachleute und manche vergleichen den Stil von Thomas Kern mit dem des afroamerikanischen Künstlers Jean-Michel Basquiat. Der Schrecken spielt bei beiden eine Rolle. Abschrecken können die Bilder auch – so sagte 2011 ein Dresdener Hausbesitzer kurz vor der Eröffnung die Ausstellung von dekern – wie er sich mit Künstlernamen nennt – ab und ließ die 70 Arbeiten abbauen. Thomas Kerns Initiationsgeschichte ist die eines Autounfalls, der den damals Siebzehnjährigen ins Koma katapultierte – und ihm von da an unzählige innere Bilder bescherte. Exzessives Malen war die Folge und das bestimmt das Leben des 46-Jährigen bis heute.
Viel kann geschehen in einem langen Schriftstellerleben. Zumal, wenn der Schreiber mehrere politische Epochen überlebt. Bilder entstehen dann, hartnäckig oder wankend, nicht selten etwas neben der Wahrheit. Jurij Brězan konnte davon ein Lied singen. Er tat es leise. Alles andere hatte seiner Meinung nach wenig Sinn. „Steht doch alles in meinen Büchern“, sagte er gern zu seiner Person. Wer hat sie alle gelesen, um ihn zu kennen, wer kennt ihn so gut, um über ihn zu schreiben? Viele sind das nicht, auch nicht in der Lausitz. Gut, dass es das Sorbische Institut gibt, gut, dass sein Direktor Dietrich Scholze Slawist, Sorabist und aufmerksamer Zeitgenosse von Brězan ist. Er schafft es mit Akribie in bester, wissenschaftlicher Manier, das Bild seines Landsmannes so zu zeichnen, dass es einem besonderen literarischen Werk gerecht werden kann. Wer Brězan kennt, muss „Bild des Vaters“ denken, an einen anderen Versuch, einer Person und ihrer Wirklichkeit so nah wie möglich zu kommen.
Im Bautzener Domowina-Verlag erschien rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse in deutscher und sorbischer Sprache ein Bildband der Reihe sorbische Fotografen mit dem Titel „Gerald Große – Lausitzer Fotografien – Wobrazy z Łužicy“. Diesmal steht im Mittelpunkt das Schaffen des Diplom-Fotografikers Gerald Große, der heute in Wien lebt. Dabei konzentriert sich Herausgeber Jürgen Matschie auf Schwarz-Weiß-Fotos, die sein Berufskollege in der Zeit von 1957 bis 1990 in der Lausitz schuf.