Erfahrungen nutzen

Mittwoch, 28. Februar 2024 geschrieben von:
Axel Arlt

Mehr Koordinierung forderte Manfred Hermaš, der frühere Vorsitzende des Domowina-Regionalverbandes „Jakub Lorenc-Zalěski“, unlängst in unserer Zeitung. Diese sei notwendig, um sich auf dem Gebiet der sorbischen Sprache und Kultur zielgerichteter den Herausforderungen des Strukturwandels nach dem Ende der Braunkohle zu stellen. Hermaš spricht aus Erfahrung, denn jene konstruktive Gemeinsamkeit ebnete in den 1990er Jahren den Weg für das Sorbische Kulturzentrum in Schleife/Slepo und den Njepila-Hof in Rohne/Rowno. Darauf bauten die Werkstattveranstaltungen „Acht Dörfer — Eine Kirchgemeinde“ auf. Hier entstand das Entwicklungskonzept für das Schleifer Kirchspiel unter den Bedingungen des fort­schreitenden Tagebaus Nochten. Zu dessen sorbischem Teil gehörte das Projekt, das Schleifer Sorbisch wiederzubeleben. Die finanzielle Absicherung basierte auf der 2007 abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen der Domowina und dem Energiekonzern Vattenfall.

Sorbisch wird simultan stark

Mittwoch, 31. Januar 2024 geschrieben von:
Marcel Brauman

Für das Jahr 2100 gibt es zwei Szenarien. Nummer eins: Es wird 100 000 Sorbisch Sprechende geben – das ist das Ziel eines Strukturwandel-Großprojekts zwecks der Sprachrevitalisierung namens ZARI in Trägerschaft der Domowina. Wir haben gerne schon öfter in sorbischer und deutscher Sprache darüber berichtet. Nummer zwei: Außer ein paar Freaks in aller Welt und Hartgesottenen in dörflichen Nischen der Lausitz wird niemand mehr im Alltag sorbisch sprechen. Es ist schon jetzt fast unmöglich, noch Jugendliche dafür zu gewinnen, einen zur Veröffentlichung vorgesehenen sorbischen Text zu verfassen. Historisch ist diese Situation aber nicht ganz neu, die Erwartung baldigen Untergangs und die Hoffnung auf eine lichte Zukunft sind bei uns stets Nachbarn.

Selbstbewusst sprechen

Donnerstag, 28. Dezember 2023 geschrieben von:
Julian Nyča

In letzter Zeit wurde ich öfter gefragt, wie um Himmels willen es das Strukturwandelprojekt „ZARI“ jemals schaffen will, wieder auf 100 000 Sorbisch-Sprecher in der Lausitz zu kommen. Meine Antwort lautet stets: „Wir“ werden das nicht hinbekommen. Nicht allein. Nötig ist ein Strukturwandel im Alltag, bei dem alle anpacken müssen. Wenn dieser gelingt, ist alles möglich.

Weder isoliert noch angepasst

Mittwoch, 29. November 2023 geschrieben von:
Marcel Brauman

Polen bekommt eine neue Regierung, im Parlament ist die neue Mehrheit schon zu spüren. Die polnische Wählerschaft votierte in jüngster Vergangenheit für Entscheidungsträger, die eine aus Sicht der meisten Leute bei uns verstörende Politik gemacht haben. Auch das war Demokratie. Wem das nicht passt, der ist faktisch Fan einer Diktatur der Vernünftigen; was aber vernünftig ist, das ist seit den Anfängen organisierter Demokratie in der Antike strittig. Und so hat jedes Volk letztlich die Regierung, die es verdient, und damit müssen leider Gottes alle die Folgen tragen, auch die, die sie nicht gewählt haben. Die Palästinenser wählten die Hamas, das hat grauenvolle Folgen. Menschen in Deutschland kennen solche mörderischen Mechanismen: Ohne den demokratischen Weg Hitlers zur Regierungsübernahme und seinen völkermordenden Vernichtungseifer wäre Dresden nicht am Ende in Schutt und Asche gelegt worden.

Was vermögen Denkanstöße?

Mittwoch, 25. Oktober 2023 geschrieben von:
Axel Arlt

Ein Erfahrungsaustausch dient oftmals dem Ziel, Denkanstöße zu erhalten, um dann eigene Probleme besser oder überhaupt lösen zu können. Anregungen mit in die Lausitz gebracht haben Mitglieder des Serbski Sejm und an einer sorbischen Kultur- und Bildungsautonomie Interessierte von ihrem Besuch Ende September in Ostbelgien.

Das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens in Eupen besteht in diesen Tagen 50 Jahre. Dessen Parlamentspräsident zeigte sich den Zielen des Serb­ski Sejm gegenüber recht aufgeschlossen. Seine anfängliche Zurückhaltung wich nach den vielen Fragen der Gäste aus dem Südosten Deutschlands einem spürbaren Interesse, diesen oder jenen Aspekt zum Selbstverständnis des Sejm vertiefen zu wollen. In seiner Funktion begrüßte er schon etliche Besuchergruppen. Die Engagiertheit seiner diesmaligen Gesprächspartner jedoch imponierte ihm. Dennoch stellte er die ausgesprochene Einladung zu einem Gegenbesuch in der zweisprachigen Lausitz in den notwendigen Zusammenhang und benannte konkrete Bedingungen.

Die Tracht als heißes Thema

Mittwoch, 27. September 2023 geschrieben von:
Marcel Brauman

Sogenannte Minderheiten sind beliebte Projektionsflächen für Sehnsüchte und Ängste der Mehrheit. Wir Sorben sind aus Sicht der Deutschen entweder die liebenswerten Schöpfer einer kleinen heilen Welt, die es schwer hat, oder die subventionierten slawischen Störenfriede in angeblich deutschen Landen, denen reichlich Steuergeld hinterhergeworfen wird. Beides hat mit der Realität nichts zu tun. Deshalb wünschen wir uns weder diese gut gemeinte Mischung aus Bewunderung und Mitleid noch ein Gebräu aus Deutschnationalismus und Missgunst. Die meisten unserer deutschen Leser kennen den Konflikt zwischen Serbski Sejm und Domowina, dessen politisches Streitpotenzial kaum eine sorbische Familie wirklich umtreibt. Dagegen gibt es eine lebhafte Debatte um den Gebrauch sorbischer Trachten. Und die wiederum hat kaum jemand außerhalb der sorbischen Community mitbekommen.

Ein Schatz, der zudem inspiriert

Mittwoch, 30. August 2023 geschrieben von:
Axel Arlt

Neue Wege gehen und die Menschen neugierig machen, um sie zum Kommen zu bewegen – vor dieser Aufgabe stehen gleich vielen anderen Akteuren im Kulturbereich die Verantwortlichen kleinerer wie auch größerer Lausitzer Museen. Recht gelungen scheint dahingehend das Projekt „Čej’ da sy? – Wurzeln im Wandel“ des Sorbischen Museums in Bautzen. Die dazugehörige Ausstellung ist noch bis zum 23. Oktober zu erleben.

Mit „Čej’ da sy?“ strahlt die Arbeit des Sorbischen Museums tief in die sorbische Gemeinschaft aus. Das ist an der Diskussion zur katholischen sorbischen Tracht abzulesen, die gegenwärtig im Dreieck zwischen Kamenz, Bautzen und Hoyerswerda geführt wird. Dürfen Anlehnungen an einzelne Elemente dieser Tracht sich in der „normalen“ Kleidung junger Sorbinnen wiederfinden? Die Meinungen gehen hier stark auseinander, wobei die Traditionalistinnen das wohl lautere Wort führen. Doch aus der Niederlausitz wissen wir längst, dass so etwas möglich und erfolgreich ist.

Freie sorbische Schule – gerne!

Mittwoch, 26. Juli 2023 geschrieben von:
Marcel Brauman

Weil der deutsche Staat es in der Vergangenheit mit uns Sorbinnen und Sorben oft genug nicht gut meinte, neigen wir nun, da der Staat sich gebessert hat, zu der Meinung, das wirklich Gute müsse er vollbringen. Deshalb wird seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholt, bei den Schulen dürfe man „den Staat nicht aus der Verantwortung entlassen“. Die Gründung einer freien sorbischen Schule, die es mit der sorbischen Sprache so ernst nimmt, wie wir es für unsere Zukunft brauchen, sei daher abwegig. Nun hat ausgerechnet der Direktor der Stiftung für das sorbische Volk, Jan Budar, im Gespräch mit unserer Zeitung genau so eine „private“ Bildungseinrichtung ins Gespräch gebracht, mit der Druck auf staatliche Schulen gemacht werden könnte – zum Wohle aller. Interessanterweise argumentiert Budar mit den „deutschen Nachbarn“, die es uns mit der Gründung freier – gesetzlich vom Staat mitfinanzierter – Schulen vorgemacht haben. Zum Beispiel da, wo der Staat seine Verantwortung abgeworfen und Schulen geschlossen hat.

Keine unnützen Diskussionen

Mittwoch, 28. Juni 2023 geschrieben von:
Axel Arlt

Der Doppelhaushalt 2023/2024 des Landkreises Bautzen ist beschlossen. Damit verbunden ist ein Kompromiss der Fraktionsvorsitzenden der im Kreistag vertretenen Parteien. Notwendig wurde dieser auch, weil die AfD-Fraktion in der Haushaltsdebatte kurzfristig vorgeschlagen hatte, Kultureinrichtungen in Trägerschaft des Landkreises in einer „Gemeinnützigen GmbH Kultur“ zusammenzufassen, um Gelder einzusparen. Dazu beinhaltet der Kompromiss einen Prüfauftrag. Festzustellen ist, welches Konstrukt kostengünstiger sei. Betroffen ist auch das Sorbische Museum.

Wird Sorbisch totgefördert?

Mittwoch, 31. Mai 2023 geschrieben von:
Marcel Braumann

Mein Vater schrieb aus seinen Erfahrungen als Reporter vor fast vier Jahrzehnten das Buch „Afrika wird totgefüttert – Plädoyer für eine neue Entwicklungspolitik“ über die Zerstörung lokaler Nahrungsmittelproduktion durch bestimmte Formen „westlicher“ Nahrungsmittelhilfe, die mehr politischer Einflussnahme als selbstständiger Entwicklung der Menschen in den Empfängerländern diente. Bei uns in der Lausitz geht es Gott sei Dank nicht um Abwendung von Hungersnot, aber immerhin um die Wiederbelebung einer weitgehend verdorrten Sprachlandschaft. Dort, wo vor drei Generationen fünf- von sechstausend Abonnenten unserer sorbischen Zeitung lebten, sind heute kaum fünfzig Menschen des Sorbischen mächtig. Nun wurde im Zusammenhang mit den Dutzenden Millionen Euro Strukturwandel-Geldern für Revitalisierung des Sorbischen die Parole ausgegeben, man wolle damit eine Entwicklung auf den Weg bringen, die zu hunderttausend Sorbisch Sprechenden im Jahr 2100 führe, also mehr als doppelt so viele wie heute.

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