Am Sonntag wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Im Vorfeld ist es eine gute Tradition, dass die Domowina als sorbischer Dachverband Wahlprüfsteine an die zur Wahl zugelassenen Parteien versendet. Die Antworten sind inzwischen in deutscher Sprache auf der Web-Seite der Domowina nachzulesen.
Diese Wahlprüfsteine bildeten gemeinsam mit den Aussagen der Parteien zu sorbischen Themen in ihren Wahlprogrammen die inhaltliche Grundlage für die Foren. In drei Regionalverbänden im Landkreis Bautzen stellten sich die Direktkandidaten auf Einladung der Domowina vor. Und es überrascht doch, wie intensiv oder aber zu zögerlich das Publikum die Möglichkeit nutzte, aus anfänglichen Fragen heraus in einen vertiefenden Austausch mit den Kandidatinnen und Kandidaten einzusteigen.
Wenn die nächste deutsche Ausgabe unserer Serbske Nowiny erscheint, werden schon viele Briefwähler ihre Stimme für den künftigen Sächsischen Landtag abgegeben haben. Heute stehen wir kurz vor dem Ende der Sommerferien und damit der heißen Wahlkampfphase. Es soll hier nicht darum gehen, dass man bitte wählen gehen möge, aber nicht die Falschen – unsere Leser sind erwachsen genug, ihr Wahlrecht ohne begleitende Belehrung wahrzunehmen.
Die Mitglieder des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden werden seit 2015 per Briefwahl gewählt. Der Vorteil ist, dass sie mit ihrer Stimme selbst beeinflussen können, wer ihre Interessen in diesem beim Landtag Brandenburg angesiedelten Gremium wahrnehmen soll. Der Gewinn von Einfluss jedoch ist mit einer Kehrseite versehen, die nicht jeder und nicht jedem sofort bewusst ist. Anders als bei Europa-, Landtags- oder Kommunalwahlen gibt es keine Wahlbehörde, die den Wahlberechtigten die Wahlbenachrichtigung zusendet. Hier ist von sorbischer/wendischer Seite Eigeninitiative gefordert.
Wir haben die Wahl – für Gemeinde- und Stadtrat bzw. Kreistag und bei den Kandidaten der Europawahl. Ich bekenne: Wie der Bestplatzierte der SPD aus Sachsen bei den Europawahlen heißt und dass er bereits seit 2022 Abgeordneter im Europaparlament ist, habe ich erst so richtig mitbekommen, als der gewaltsame Übergriff auf ihn durch die Medien ging. Auch wenn viele Namen europapolitischer Akteure Schall und Rauch sind, weiß zumindest jeder gutinformierte Zeitungsleser, worum es bei diesen Wahlen geht: um eine Rückkehr zu mehr Nationalismus oder eine Fortsetzung der inneren Integration. Das sorbische Volk als sprachlich-kultureller Brückenbauer zwischen mehreren Ländern steht dabei im Alltag für das Motto „Europa zuerst!“ Die Partei, die gerade „Unsere Bürger zuerst!“ plakatiert und schon lange „Unser Land zuerst!“ propagiert, will das krasse Gegenteil. Nämlich eine Rückkehr in die Epoche, in der (Deutsch-)Nationales dominierte – die Folgen waren bekanntlich infernalisch.
Für Friesen, Dänen und Sorben ist die vom Bundestag beschlossene Reform des Namensrechts in Deutschland mit ihren Regelungen, die die Namenstraditionen der autochthonen Minderheiten wieder aufgreifen, ein wichtiges Ereignis. Wer sich im Nachhinein unter diesem Aspekt für die konkreten Debattenbeiträge der Redner im Parlament interessiert, der und dem steht das Material in der Parlamentsdokumentation im Internet jederzeit zur Verfügung.
Von einem gewichtigen Ereignis zu sprechen, das trifft auch hinsichtlich der unlängst in Cottbus/Chóśebuz stattgefundenen Sitzung des Domowina-Bundesvorstands zu. Erstmals stellten Teilnehmende des Sprachprojekts „Zorja“ für Niedersorbisch in der Niederlausitz dem Gremium vor, was sie in acht Kurs-Monaten gelernt haben. Das ist beachtlich.
Ostern kann kommen – fast alle sind auf „ihre“ Festtage vorbereitet. Egal ob diese zu Hause oder an einem Urlaubsziel stattfinden. Und auch unabhängig davon, ob Auferstehung oder einfach der Frühling gefeiert wird. In der Lausitz gehören die sorbischen Osterreiter für viele Menschen zu Ostern dazu: Für die Einheimischen. Für die Urlaubsheimkehrer, die hier aufgewachsen sind, aber woanders Arbeit und ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben. Und für die Feriengäste, die zu einem Gutteil wegen der Osterreiter hier gebucht haben. Das ist auch in Ordnung so, zeigt es doch einmal mehr, dass das Sorbische nicht nur das Alleinstellungsmerkmal der Lausitz ist, sondern der Region auch zu einem sehr umfassenden Mehrwert verhilft.
Mehr Koordinierung forderte Manfred Hermaš, der frühere Vorsitzende des Domowina-Regionalverbandes „Jakub Lorenc-Zalěski“, unlängst in unserer Zeitung. Diese sei notwendig, um sich auf dem Gebiet der sorbischen Sprache und Kultur zielgerichteter den Herausforderungen des Strukturwandels nach dem Ende der Braunkohle zu stellen. Hermaš spricht aus Erfahrung, denn jene konstruktive Gemeinsamkeit ebnete in den 1990er Jahren den Weg für das Sorbische Kulturzentrum in Schleife/Slepo und den Njepila-Hof in Rohne/Rowno. Darauf bauten die Werkstattveranstaltungen „Acht Dörfer — Eine Kirchgemeinde“ auf. Hier entstand das Entwicklungskonzept für das Schleifer Kirchspiel unter den Bedingungen des fortschreitenden Tagebaus Nochten. Zu dessen sorbischem Teil gehörte das Projekt, das Schleifer Sorbisch wiederzubeleben. Die finanzielle Absicherung basierte auf der 2007 abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen der Domowina und dem Energiekonzern Vattenfall.
Für das Jahr 2100 gibt es zwei Szenarien. Nummer eins: Es wird 100 000 Sorbisch Sprechende geben – das ist das Ziel eines Strukturwandel-Großprojekts zwecks der Sprachrevitalisierung namens ZARI in Trägerschaft der Domowina. Wir haben gerne schon öfter in sorbischer und deutscher Sprache darüber berichtet. Nummer zwei: Außer ein paar Freaks in aller Welt und Hartgesottenen in dörflichen Nischen der Lausitz wird niemand mehr im Alltag sorbisch sprechen. Es ist schon jetzt fast unmöglich, noch Jugendliche dafür zu gewinnen, einen zur Veröffentlichung vorgesehenen sorbischen Text zu verfassen. Historisch ist diese Situation aber nicht ganz neu, die Erwartung baldigen Untergangs und die Hoffnung auf eine lichte Zukunft sind bei uns stets Nachbarn.
In letzter Zeit wurde ich öfter gefragt, wie um Himmels willen es das Strukturwandelprojekt „ZARI“ jemals schaffen will, wieder auf 100 000 Sorbisch-Sprecher in der Lausitz zu kommen. Meine Antwort lautet stets: „Wir“ werden das nicht hinbekommen. Nicht allein. Nötig ist ein Strukturwandel im Alltag, bei dem alle anpacken müssen. Wenn dieser gelingt, ist alles möglich.
Polen bekommt eine neue Regierung, im Parlament ist die neue Mehrheit schon zu spüren. Die polnische Wählerschaft votierte in jüngster Vergangenheit für Entscheidungsträger, die eine aus Sicht der meisten Leute bei uns verstörende Politik gemacht haben. Auch das war Demokratie. Wem das nicht passt, der ist faktisch Fan einer Diktatur der Vernünftigen; was aber vernünftig ist, das ist seit den Anfängen organisierter Demokratie in der Antike strittig. Und so hat jedes Volk letztlich die Regierung, die es verdient, und damit müssen leider Gottes alle die Folgen tragen, auch die, die sie nicht gewählt haben. Die Palästinenser wählten die Hamas, das hat grauenvolle Folgen. Menschen in Deutschland kennen solche mörderischen Mechanismen: Ohne den demokratischen Weg Hitlers zur Regierungsübernahme und seinen völkermordenden Vernichtungseifer wäre Dresden nicht am Ende in Schutt und Asche gelegt worden.